Heimat hinter Horizonten
Gisela Elbracht-Iglhaut


Die Bilder von Andreas Komotzki erzählen vom Reisen, von Ferne, Unendlichkeit, Sehnsucht und imaginären Orten. Er wählt als Hauptmotiv seiner Bildwelten die Landschaft und thematisiert damit eines der klassischen Sujets der Kunstgeschichte.


Der faktische Ursprungsort der Arbeiten hat für den Fotografen keine Bedeutung. Das Instrument der Wahrnehmung ist für den Künstler die Kamera, die er auf Reisen stets bei sich trägt, um aus dem fahrenden Zug oder dem Auto heraus die vorbeiziehende Landschaft festzuhalten. Unzählige Aufnahmen entstehen, von denen Komotzki nur wenige auswählt und weiterbearbeitet. Die Fotografie dient als „ein Spiegel“ der Welt, der „das Vertraute, das Bekannte“ zeigt. (Anm. 4: Roland Barthes: Mythologies, Paris, 1957.) Konsequent werden die namenlosen Orte reduziert schwarzweiß abgebildet; sie tendieren wirkungsvoll und spannungsreich zwischen Realität und Imagination. Die erstarrte Bewegung eines Augenblicks mutiert zu statischer Ewigkeit.


Systematisch dient dem Künstler die Horizontlinie als ordnendes Prinzip, das jede Bildkomposition bestimmt und den Bildern kontemplative Ruhe verleiht. Der Horizont ist mehr als eine kompositorische Gerade zwischen Himmel und Erde: Er vermittelt die Ahnung einer Welt jenseits der horizontalen Blickgrenze und wird zum Sinnbild für das Sehnsuchtsmotiv, das die Geschichte der Landschaftsmalerei begleitet. “Die Imagination macht erst die Landschaft“ konstatierte Charles Beaudelaire in seiner Schrift „Zur Ästhetik der Malerei“ und verdeutlichte damit bereits die wesentliche Rolle des Menschen, der Landschaft subjektiv empfindet und somit im Gefüge Landschaft, Künstler und Betrachter eine entscheidende Rolle spielt. (Anm.: 3: Charles Beaudelaire, Zur Ästhetik der Malerei und der Bildenden Künste, München, o. J., S. 242)


Den Fotografien liegt eine klare, geometrische, minimalistische Aufteilung zugrunde, die Räume schafft, deren geistige Stärke uns tief berührt. Die schwarzweißen realen Landschaften erscheinen als ideale Darstellung der Einsamkeit und Melancholie und als Metapher der Unendlichkeit und Freiheit. Die Leere wird zur Projektionsfläche unseres eigenen ästhetischen und emotionalen Empfindens. Die bewusste Unschärfe der Bilder erzeugt eine geheimnisvolle Aura, die verfremdend eine Präsenz der abgebildeten Realität in Frage stellt und sie ephemer und ungreifbar erscheinen lässt. Den Fotografen interessiert die malerische Wirkung der Oberfläche, die durch die Verwendung von Büttenpapier und den Einsatz von Unschärfe erreicht wird. Die Wirklichkeit abbildende objektive Funktion der Fotografie ist aufgehoben. Kunst dient als Mittel unsere Wahrnehmung zu erweitern und eine mentale Einheit mit der Welt zu schaffen. Die unglaubliche Stille, die das fotografische Werk Andreas Komotzkis prägt, ist in unserer reizüberfluteten Medienwelt ein meditatives Erlebnis, das den Blick auf unsere Existenz schärft. (…)


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